04.07.2017 sen/dpa   Autor: Stefan Lutz, SÜDKURIER-Chefredakteur

Nürnberg Diehl legt kräftig zu. Der Konzern ist im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Dazu beigetragen haben auch die Überlinger Standorte.

Der Rüstungs- und Technologiekonzern Diehl hat im vergangenen Jahr einen kräftigen Wachstumsschub verbucht. Wie das Familienunternehmen in Nürnberg mitteilte, kletterte der Konzernumsatz um 9,7 Prozent auf 3,41 Milliarden Euro. Getragen wurde das Wachstum nicht zuletzt vom Teilkonzern Defence (Verteidigung), der erstmals seit Jahren den Umsatz wieder deutlich steigern konnte. So erhöhten sich hier die Erlöse von 405 Millionen auf 435 Millionen Euro. Wesentlichen Anteil daran hatte nach Angaben des Unternehmens vor allem die Diehl Defence GmbH & Co. KG mit Sitz in Überlingen. Letztere ist nun die neue Führungsgesellschaft für das Verteidigungsgeschäft der Diehl-Gruppe; sämtliche Beteiligungsgesellschaften seien jetzt unter diesem Dach konzentriert, hieß es weiter...  Auf der Ertragsseite hielt der Diehl-Konzern das operative Ergebnis (Ebit) mit 174,7 Millionen Euro stabil. Die Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich um 3 Prozent auf 16 385 Beschäftigte. Für das laufende Jahr peilt der Konzern einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro „bei entsprechender Ergebnissteigerung“ an ...

Anmerkung der Redaktion: Und wer denkt an die Toten und Verletzten?

  • Firmen-Jubiläum mit Marzipan-Rakete: hier
  • Werbekatalog der Firma Diehl: hier
  • Waffen für Israels Kriege: hier
  • Waffen für den nächsten indisch-pakistanischen Krieg: hier
  • Überlingen, die Stadt mit den zwei Gesichtern: hier

SÜDKURIER 29. März 2010, Autor: Ulrich (Uli) Fricker.

Waffen für die halbe Welt

> Deutsche Rüstungsexporte sind besonders gefragt
> Was stellt Diehl Defence in Überlingen her? Ein Besuch
> Türkei und Griechenland als wichtige Kunden

Das ist keine gewöhnliche Firma. Ein meterhoher Metallzaun schirmt die Diehl Defence Holding GmbH von der Straße ab. Der Pförtner mustert den Besucher aufmerksam, er will wissen, warum ihm der Vorname „Uli“ angekündigt wird und im Personalausweis nun „Ulrich“ steht. „Sind Sie das?“, fragt er. „Ja, das bin ich.“ Er muss nachhaken. Der Mann mit der dunkelblauen Krawatte bewacht Diehl Defence, und diese Firma verkauft nicht Ananas oder Krawatten, sondern Waffen.

Das Wort Waffen hört man in diesen Hallen selten. Claus Günther spricht lieber von Systemen, von sehr komplexen Systemen. Herr günther ist Diehl-Bereichsvorstand in Überlingen und damit Chef von 1.3000 Mitarbeitern. Die Rüstungsgüter, die hier hergestellt werden, sind hochwertig, ausgefeilt. Zum Teil sind sie so geformt, dass man ihre Bestimmung gar nicht mehr erkennt. High Tech zum Zweck der Vernichtung des Gegners. In den Reinräumen und abgeschotteten Werkhallen entstehen zum Beispiel Zielsuchköpfe für Lenkflugkörper, die eine kleine Rakete sicher und selbstständig an ihr Ziel tragen. Oder Raketen für die Marine. An anderen Standorten des Diehl-Konzerns werden Panzerketten oder Munition hergestellt.

Der Waffenbau ist Handwerk. Elektronik und viel Erfahrung. Doch Waffenverkauf ist kein Geschäft wie jedes andere. . Frage an Diplom-Kaufmann Günther: „Ist der Export von Rüstungsgütern noch moralisch?“ Er ist auf die Frage präpariert, offenbar hört er diesen Einwand von Laienseite nicht zum ersten Mal. Er sagt „Wir liefern nicht an Banditen, Verbrecher und Schurken.“ Günther verweist routiniert auf die strengen Auflagen, die ein Export zu nehmen hat, bevor er genehmigt wird. „Wir haben das schärfste Waffengesetz der Welt.“ Reines Gewinnstreben verfolge der weit gestreute Diehl-Konzern eben nicht, sagt er. „Das ist ein Familienunternehmen und hoch anständig.“ Seine Firma schließe deshalb ein Geschäft nicht um jeden Preis ab. „Wenn wir ein flaues Gefühl haben, nehmen wir den Auftrag nicht an.“

Claus Günther trägt an diesem Frühlingstag einen Anzug in Anthrazit und eine fröhlich gemusterte Krawatte. Er schaut auf die Uhr, neue Termine drängen, die Zeit geht dahin. In diesem Geschäft sowieso. „Die meisten haben falsche Vorstellungen von dieser Branche“, meint er. Die Auflagen und Restriktionen in diesem Land seien enorm hoch. Um einen Auftrag einzuholen, „schreiben wir ganze Bücher“. Papiere und Dokumente, und Skizzen müssten vorbereitet werden, um das Interesse an einem Geschäft zu bekunden. Drei bin vier Jahre dauert allein diese Phase., in der keine Schraube ausgeliefert und kein Cent vergütet wird.

Zur Trauer ist der robuste Chef aber nicht aufgelegt. „Viele deutsche Produkte haben auf dem Rüstungsmarkt ein Alleinstellungsmerkmal“. Das könnte man so übersetzen: Wir sind Spitze.

Die Zahlen scheinen das zu belegen: Wenn Flugkörper aus Überlingen in viele andere Nato-Länder exportiert werden. Nach den militärischen Großmächten (USA. Russland) rangiert Deutschland auf Platz 3. Daran hat auch Diehl einen Anteil, in Überlingen ist er der Arbeitgeber Nummer ein. Von den 1.300 Beschäftigten hier arbeiten etwa 900 für den militärischen Bereich. Die Stadt am Bodensee wäre ohne diesen Betrieb nicht denkbar.

Diese Firma ist in permanenter Bewegung. Jeder dritte Beschäftigte hat ein Ingenieur-Diplom in der Tasche. In den vielen Hallen herrscht eine Stimmung der konzentrierten Geschäftigkeit. Im Reinraum werden kleinste Bauteile für den Zielsuchkopf zusammengefügt. In Schutzanzügen hantieren die Mitarbeiter dort an Mikroskop und mit kleinen Zangen. Die Einzelteile dafür werden in speziellen Maschinen gefräst. Sie sind so groß wie ein Gartenhaus. Wie von Zauberhand wandert der Rohling über Messer und Schleifvorrichtungen, der Mechatroniker kann durch ein Fensterchen von außen zusehen.

„Wir verwenden hier vor allem deutsche Maschinen“, sagt einer der Mitarbeiter stolz. Auf seine präzise Technik ist Claus Günther stolz. „Wir können Goldfäder verschweißen, die Sie nicht einmal sehen können“, sagt er mit breiter Brust. Man merkt: Er steht hinter den Produkten, die am Rand von Überlingen hergestellt werden. Der Mann verbringt sein Berufsleben beim und für das Militär: Er diente 13 Jahre lang bei der Bundeswehr, ging als Hauptmann der Reserve ab und dann in die Rüstungsindustrie. Heute leitet er einen Standort, der vor allem Nato-Staaten mit Hightech beliefert.

Der Markt ist beweglich und extrem von der Politik abhängig. [Deshalb hat Diehl mitten in Berlin ein Büro, in der Nähe des Brandenburger Tors, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. Dies nur als Zwischenbemerkung der „Initiative gegen Waffen vom Bodensee“.] Die Türkei ist für uns ein wichtiges Zukunftsland“, sagt der Stratege Günther. Bisher habe sich das Nato-Mitglied mit US-Importen eingedeckt, jetzt seien vermehrt deutsche Erzeugnisse gefragt. Mit dabei ist auch Diehl Defence vom Bodensee und anderen Standorten in Deutschland.

Streithähne in der Ägäis

Vor allem süddeutsche Firmen sind gut im Geschäft. Diehl (Nürnberg), MTU (Friedrichshafen), EADS oder Heckler&Koch (Oberndorf) feilen an Gerät, dessen Wirkung beim Einsatz tödlich sein kann. Vielen erscheint das unmoralisch und anstößig. Ein Blick auf andere Länder relativiert das Bild von der deutschen Waffenschmiede. Der Bericht der Stockholmer Friedensforscher (Sipri) weist die Deutschen als sehr zurückhaltend aus, wenn es um Waffenexporte geht. Sie halten sich an Regeln, von denen andere nur sprechen. Frankreich zum Beispiel ist in keiner Weise zimperlich, wenn es um die Ausfuhr in Krisenländer geht. Dazu zählen auch Lieferungen an die verfeindeten Lager im Nahen Osten – Deutschland lässt nur Lieferungen an Israel zu, und das sehr begrenzt. Algerien wäre für Berlin kein Thema, für die Exportkontrolleure in Paris sehr wohl.

Die Öffentlichkeit in anderen Staaten ist auch nicht so kritisch. „So etwas erlebt man in Großbritannien oder Frankreich nicht“, sagt Paul Holtom vom Sipri-Institut zu den zahlreichen Debatten hierzulande. Wenig Verständnis hat Holtom freilich für Anmerkungen einer Claudia Roth. Die Grünen-Chefin hatte sich über die steigende Ausfuhr mokiert. „Die meisten Verträge, die diese Verdoppelung bewirkt haben, wurden während der rot-grünen Regierungszeit abgeschlossen.“

Das Wettrüsten einiger Staaten hat auch skurrile Züge. Türkei und Griechenland wetteifern um die „Vorherrschaft“ in der Ägäis und kaufen neue deutsche U-Boote. Damit können die Streithähne in der Levante um die Wette schwimmen – mehr nicht. Von einem „scharfen“ Einsatz wird sie die Nato abhalten, deren Mitglieder beide Länder sind. Der Krieg um Troja wird dieses Mal nicht stattfinden.

Unsere Forderung an die Firma Diehl: Stellen Sie unverzüglich um auf zivile Produkte! Keine Rüstungsproduktion - weder am Bodensee, noch irgendwo sonst!

Aktion: "Licht ins Dunkle"

In der Industrie sind viele Dinge geheim. Das ist normal. Aber es gibt in der Rüstungsindustrie auch Machenschaften, die gehen einfach zu weit. Wir meinen: Die Öffentlichkeit sollte darüber Bescheid wissen. Deshalb unsere Bitte: Helfen Sie uns, Licht ins Dunkle zu bringen! Wichtig sind detailierte Informationen: Zahlen, Fakten, Protokolle, Listen und Fotos. Alles Weitere siehe hier.


In einem alten Buch steht: "Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind." Weiter
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Papst Franziskus am 3.Juni 2019 bei einer Begegnung mit den Teilnehmenden der Vollversammlung der katholischen Hilfswerke für die Ostkirchen (ROACO).

Ähnlich Papst Franziskus auch am 21. Juni 2015: „Manager, Unternehmer die sich Christen nennen und die Waffen herstellen! Das macht mich ein bisschen misstrauisch: Sie behaupten, sie seien Christen!"  Was die Kirchen sonst zur Rüstung sagen: 1. Bischöfe, 2. Diözese, 3. GKKE, 4. Radio, 5. EKM, 6. EKHN, 7. EKD

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